Es war die Zeit des Rock 'n' Roll: revolutionäre Rhythmen, elektrisch verstärkte Gitarren, schräge Saxophone und hämmernde Klaviere. Dazu durchdringende Stimmen und Refrains, die alles bisher Gehörte alt klingen ließen: Awopbopaloobop alopbamboom, Be-bopa-lula -
Wie durch ein Wunder blühte in diesem wildbewegten Umfeld ein zartes Pflänzchen auf und ließ sich nicht unterkriegen: Petite Fleur von Chris Barber's Jazz Band. Monty Sunshines melodische Klarinette setzte sich trotz der übermächtigen Rock-Musik durch. Auf den Plattentellern drehte sich die METRONOME-Single mit der Sidney-Bechet-Komposition unaufhörlich gegen den Trend. Es gibt Instrumental-Aufnahmen, dazu gehört Petite Fleur, von denen ein Zauber ausgeht.
Auch der Mitternachts Blues hat diese Eigenschaft. Das Instrument, das hierbei die Hörer verzauberte, war eine Trompete. Und Billy Vaughns Saxophone machten Sail Along Silvery Moon unvergeßlich. Entscheidend für die Einprägsamkeit der Instrumentals erwies sich immer die Qualität der Solo-Instrumente, hier Klarinette, Trompete und Saxophon. Das galt natürlich auch für Gitarre, Klavier oder Violine. Sie alle ersetzten die Stimmen der Sängerinnen oder Sänger der Vokal-Aufnahmen. Und nur originelle Arrangements und Melodien hatten die Chance, sich neben gesungenen Stücken durchzusetzen. So ist es kein Wunder, daß Theme From A Summer Place, Because They're Young, Sleep Walk, Stranger On The Shore, Wunderland bei Nacht oder Chi Chi im Gedächtnis geblieben sind. Vor allem verbinden sich damit Erinnerungen.
Die sind unverwüstlich, wenn sie an Gefühle gebunden sind, zum Beispiel bei Soundtracks: Der Film war vorbei, der Vorhang ging hoch, aber eins blieb auf dem Weg aus dem Kino haften: die Melodie im Kopf. Und dort ist sie geblieben. Wie auch Erinnerungen an Partys mit schummrigem Licht von Kerzen auf Chianti- oder Vat-69-Flaschen, bei denen zu Sleep Walk oder Stranger On The Shore 'geschwooft' wurde.
Viele der Instrumentals wie auch Mitternachts Blues oder Petite Fleur waren perfekt dafür geeignet. Die heißen Stücke wie Red River Rock wurden in den 60er Jahren oft auf Rummelplätzen an der 'Raupe' gespielt. Dort gab es damals die seltene Gelegenheit für Teenager, sich unter dem Stoffdach dieses Karussells unbeobachtet näher zu kommen. In solchen Situationen können Melodien Wunder wirken.